Laudes
Texte von Jeremias Gotthelf und französische Orgelmusik

 

Ekaterina Kofanova Orgel
Robert Ruprecht Lesung

 

Eingangsspiel
Aloÿs Claussmann (1850–1926)
Aus: Trois Pièces op. 64 (1919)
Carillon (Nr. 1)

Begrüssung

Lied
Psalm 25 (Reformiertes Gesangbuch, Nr. 20)

1. Lesung
Jeremias Gotthelf (1797–1856)
Aus: Der Sonntag des Grossvaters (1852)
Die Morgenszene zur Zeit der Predigt
Quelle: Kritische Ausgabe, Bd. 21, S. 125ff

Zwischenspiel
Louis Vierne (1870–1937)
Aus: 24 Pièces en style libre op. 31 (1914)
Méditation (Nr. 7)

2. Lesung
Jeremias Gotthelf
Aus: Geld und Geist (1843/44)
Ännelis Vision vom Zusammenhang von Himmel und Erde
Quelle: Kritische Ausgabe, Bd. 7, S. 89f.

Ausgangsspiel
Louis Vierne
Aus: 24 Pièces en style libre op. 31 (1914)
Carillon (Nr. 21)

 

Die Friedenskirche hat eines der schönsten Geläute in der Stadt Bern; der Kanton Bern ist die Heimat eines der bedeutendsten Schweizer Dichter, Jeremias Gotthelf, der in Lützelflüh als Pfarrer wirkte. Glocken kommen in seinem Werk immer wieder vor, als Begleitung aller Phasen des Lebens, Mahnung und Einladung, so in seiner Erzählung «Der Sonntag des Grossvaters»:
«Wie er so hinsah, sein Blümeli ihm mehr und mehr entschwand, gingen ihm [dem Grossvater] leise die Augen zu. Die beiden Kinder, welche im Stübchen waren als seine Engelein, die seine Botschaften verrichten sollten, hielten sich lange still, selten pläuderleten sie ein Wörtlein miteinander. Nach und nach ward ihnen bange, da Grossvater die Augen immer zu hatte. Sie gügeleten alle Augenblicke, ob sie noch zu seien, schlichen immer näher und näher, aber der Grossvater rührte sich nicht, tat die Augen nicht auf. Da konnte das ältere Kind nicht länger warten, es stieg auf einen Stuhl am Bette und schob, freilich so sanft es konnte, dem Grossvater einen der Augendeckel in die Höhe. Da erwachte begreiflich der Grossvater und tat beide Augen auf. […] ‹Es hat doch noch nicht zusammengeläutet?›, frug der Grossvater. ‹Nein› sagten die Kinder, ‹geläutet hat es hier noch nicht, aber unten wird es schon lange angefangen haben; denk, wie weit es ist vom Dorf bis hier! Hinauf ists noch viel weiter als hinab. Aber höre, Grossvater, jetzt kömmts, jetzt kömmts!›
Und richtig, zum Fenster herein begann ein Quellen von Glockentönen, leise erst und vereinzelt, abgebrochen, als ob sie sich erst Bahn brechen müssten durch das vermittelnde Element, dann sich suchen und einen zu vollem Klang und einigem Geläute, dem mächtigen Rufen des Hirten, dass die Herde sich sammle an des Herren Hütte, dass die Schafe von den einzelnen Weiden her, wo sie das tägliche Brot gesucht, eilen möchten, das geistige Leben zu nähren und zu kräftigen mit den Worten, die aus des Herrn Munde gehen. Es ist das freundliche Rufen an alle, welche auf des Herren Dornenpfade gehen: ‹Kommet her, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, will euren Seelen Ruhe schaffen.› Es ist das mahnende Wort des Vaters an seine Kinder. […] Es gehören diese mächtigen Klänge, die schwellenden Töne über Berg und Tal zu den immer in vollen Fluten strömenden Offenbarungen Gottes, in denen der Herr sich kündet den armen Menschenkindern die Augen dem Lichte öffnen will, damit sie seine Wege sehen und die rechte Türe zum Heil, nach welchem alle Herzen sich sehnen du doch so viele den Eingang nicht finden. Der Grossvater lebte unbeschreiblich wohl daran. […] Es war ihm, als hätten Ströme der Herrlichkeit Gottes sich in sein Herz ergossen.»
Soweit Gotthelf, der an diesem Morgen zu Wort kommt. Das Geläute der Friedenskirche wird die Feiernden in den neuen Tag hinaus begleiten. Hinzu kommen die Carillons des Elsässers Aloÿs Claussmann und des Franzosen Louis Vierne. Claussmann wirkte in Clermont-Ferrand, Vierne in Notre-Dame zu Paris. Vierne hat sich den Glocken mehrmals gewidmet, Totenglocken finden sich in seinem Oeuvre, das Glockenspiel von Westminster und eben auch dieses Carillon in seinen «24 Pièces en style libre op. 31.» Dabei liess er sich von der «sonnerie du Carillon de la chapelle du Château de Longpont (Aisne)» inspirieren. Aber die beiden sind längst nicht die Einzigen in der französischen Musik, die sich damit beschäftigt haben. Glockenspiele finden sich schon im 17. Jahrhundert, Louis Couperins Pariser Glocken etwa. Man darf sie wohl als Minimal Music Gottes bezeichnen.


Eintritt frei

Friedenskirche Bern | |  
Freitag, 23. Oktober 2015 | 08.00 Uhr


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