Mittagsandacht
Orgelpunkt zum Wochenschluss

 

Marc Fitze Orgel

 

Johann Martin Spiess (1691–1772)
Aus: Musicalischer Kirchen-Schatz (1745)
1. Arpeggio
2. Un poco Allegro – con discretion – Allegro (G-Dur)

Daniel Glaus (*1957)
Echo-Fantasie für Jörg Herchet (1994)

Willy Burkhard (1900–1955)
Fantasie und Choral: Ein feste Burg ist unser Gott op. 58 (1939)

Johann Jakob Mendel (1809–1881)
Klage und Trost. Nachtgesang der Alpen

 

Vier musikalische Epochen treffen in dieser Mittagsandacht aufeinander, gruppiert um das Zentrum Bern, denn alle vier Komponisten sind als Lehrer und/oder Organisten mit der Stadt verbunden. Fünfundfünfzig Jahre alt war Johann Martin Spiess, gebürtig aus dem kurpfälzischen Bergzabern und «Capellen-Meister in Heidelberg», als er die Stelle als Münsterorganist antrat. Achtzehn Jahre zuvor hatte man ihn schon einmal für eine Visitation nach Bern eingeladen. 26 Jahre versah er das Amt; nach seinem Tod übernahm es sein Sohn Friedrich. Tatsächlich gab es in dieser langen Zeit auch Differenzen. Man rügte, «wie anstössig dem Publico billich falle, dass der gesang nun zu verschiedenen Mahlen durch fehler des Organisten in solche verwirrung gerahten, dass die wenigsten Leüth darin fortfahren können». Man befahl ihm, «dass er ohne Raffinieren die Orgel ganz einfaltig nach bisshero allhier gewonter art also schlage, dass jedermann im gesang fortkommen möge». Ungeachtet dieser Kritik stand der Organist beim Rat in gutem Ansehen. In seiner Sammlung «Musicalischer Kirchen-Schatz: In Hundert und sechs Praeludien, Arien, mancherley Arpeggen, Concerten, Fugen und Variationen bestehend; Zum alljährlich-nützlichen Kirchen-Gebrauch, ...,» die noch in Heidelberg erschien, entfaltet er einen stilistisch und formal reichen Strauss und bindet auch manche fremde Blume mit hinein.

Johann Jakob Mendel, der von 1830 an, also mit bereits 21 Jahren als Münsterorganist und Musikdirektor wirkte, stammte aus Darmstadt, hatte in Paris studiert und offenbar sogar schon einiges Renommee als Komponist erlangt. In Bern hat er folgenreich gearbeitet, nicht nur von der Orgel aus, sondern auch als Musiklehrer. Sein Stück «Klage und Trost. Nachtgesang der Alpen» ist eine jener einst so beliebten programmmusikalischen Naturschilderungen, wie sie seit den Orgelkaskaden des Abbé Vogler und der Beethovenschen «Pastorale» so beliebt waren: Das Alphorn ertönt, ein Sturm braust vorbei und alles verfliegt mit einem zarten Echo.

Willy Burkhard, geboren in Leubringen bei Biel, studierte u.a. in Bern und wirkte hier als Chor- und Orchesterdirigent sowie als Theorielehrer am Konservatorium, bevor er nach Zürich übersiedelte. 1939 komponierte er dieses Werk – notabene keine Choralfantasie, sondern eine weite Fantasie und ein fünfstimmiger Choral mit kurzen Zwischenspielen. In diesen ist der Choral bloss noch fragmentarisch zu erkennen im Textabschnitt «Und wenn die Welt voll Teufel wär». Ein deutlicher Hinweis! Ist es nicht bezeichnend, dass einer in jenen politisch unsicheren Zeiten auf die «feste Burg» baute? Jedenfalls scheint ein Kommentar aufschlussreich, den Burkhard 1944 seinem «Gesicht Jesajas» mitgab: «Untergang und Verderben des Ungesunden, Unwahren; Hoffnung auf Abklärung des gegenwärtigen chaotischen Zustandes; Ahnung einer neuen Weltordnung; Friede, Erlösung, Befreiung, Überwindung, jene religiösen Kräfte, die dem geistigen Leben trotz Enttäuschungen und Rückschlägen zu jeder Zeit einen mächtigen Impuls gegeben haben».

Dem ostdeutschen Komponisten Jörg Herchet, den er in Boswil kennenlernte (vgl. Vesper vom Donnerstag), widmete Daniel Glaus seine «Echo-Fantasie» von 1994. Das Stück basiert auf einem sechsstimmigen Akkord, der zusammen mit seiner Spiegelung alle zwölf chromatischen Töne umfasst. Die beiden Akkorde verhalten sich aber auch wie Klang und Echo – was dem Stück den Titel gibt. Aus diesem einen Kern entwickelt Glaus seine Form, die stark von der Stille bzw. der Pause geprägt ist. Er nahm das Stück übrigens kurz darauf als Grundlage für sein Oratorium «Meister Eckhart» für Alt, Bariton, achtstimmigen Doppelchor und 16 Instrumente.

In der Heiliggeistkirche am 24. Oktober im Rahmen der BarockZentrum Konzerte...


Eintritt frei

Heiliggeistkirche | |  
Freitag, 23. Oktober 2015 | 12.30 Uhr

Mitwirkende: Marc Fitze (Orgel)

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